LATER – EINE AUSSTELLUNG FÜR DANACH
Ausstellungsdauer 13. – 30.9.2021
Linz, Landstraße 36, Innenhof

commissioned: gfk

Eine Ausstellung an einem Ort, an dem sich DANACHs materialisieren und visualisieren – Passage, Verkaufsfläche,
Spiegellandschaft und Selfieparadies für Jugendliche, politische Geschichte und Gegenwart.


Gar nicht so schlecht hier im Durchgang.
Es dreht sich, wir drehen uns, um uns. Ein Loop. Es fängt von vorne wieder an, wie vorher. Wie vorher soll es sein. Wie ist es vorher?
Wir warten, passiert noch was? Wars das? War da was? Wir sondieren, aber was genau und womit? Brauchen wir neue Apparate?
Warten. Tun als ob nichts gewesen wäre. Stellen uns neue und alte Fragen. Später, later, neue Tage brechen an. Wir tasten uns voran,
erkunden den Nebel, fahren auf Sicht. Machen neuen Nebel. Braucht uns das DANACH? Trägt der Boden?

Gedanken zu künstlerischen Interventionen zum und mit dem Danach. (siehe unten)



NICOLE SIX / PAUL PETRITSCH


six petritsch

 monitor

20.03.2020

2020 3-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Sound
HD, 16:9, 23´12´´
Ort: Innenhof


nebel  nebel

nebel2

nebel3

Ohne Titel (Violett, Rot, Orange, Gelb), 2021

Farbtopf, 90’’
Ort: öffentlicher Raum

Jeweils um 13.00 kann ein Farbtopf gezündet werden (Dauer ca 90 Sekunden). Interessierte können sich vor Ort in eine Liste eintragen.
Am Eröffnungstag wird er von Paul Petritsch pünktlich um 14.00 gezündet.




WENDELIN PRESSL


drehteller 

drehteller orbis volubilis

Orbis Volubilis, 2009-2020

Objekt Holz, Souvenirteller aus Effelsberg, Motor
Ort: Schaufenster


windrad

Das exoaxiale Weltbild – davor danach davor danach davor, 2009/2021

Video
Farbe, ohne Ton, Loop, 2 ´
Ort: Infoscreens Eingang


spiegel 

spiegel

Beobachtungshilfe!, 2010

Objekt Spiegel, Holz, Schrauben
Ort: Durchgang




SARAH DECRISTOFORO


later

LATER, 2021

Intervention an der Fassade
Ort: Fassade Landstraße



fahne

This is the light of the New Dawn, 2021

Stoffinstallation
Ort: Innenhof


orakel   

The Oracle, 2021

Intervention Orakeltexte für Kaffeetassen
Ort: Café Central



TEXT ZUR AUSSTELLUNG von Katharina Lackner

Ein Versuch, die Kunst und das Danach zu umschreiben, ein geschriebenes Suchbild.

Angenehm ist es mit Sarah Decristoforo, Wendelin Pressl und SixPetritsch ein wenig im Nebulösen des DANACHS
abzuhängen. Wir drehen uns herum in diesem Zustand des nicht-genau-Wissens was es werden wird; doch mit uns
hängt dort in der Ecke das locker gestrickte Vertrauen das trotz Nebel guterkennbar ist.

Mit der Einladung der Künstler*innen kommt frisches Flimmern ins Thema. Jenes, schon erwähnte Flimmern in und
mit dem sich die Dinge auftun und nicht abschließen. Wenn ein Bild, ein Wort, die nächste Assoziation lostritt und man
sich mit den eigenen und fremden Gedanken im Rollen hält. Max Goldt schreibt überdie Kugeln in unseren Köpfen
und diese setzen sich nun geschmeidig in Bewegung.

Oft rollt es nicht nur, sondern dreht es sich auch ein wenig imNebulösen, das beim Denken entsteht, ob man nun eine Ausstellung,
ein Kunstwerk plant oder festzustellen versucht, ob denn dieses DANACH nun schon da ist oder nicht. Dieser Nebel macht es
schwierig zu erkennen, ob es schon begonnen hat oder ob wir es nur in seinerForm so nicht haben wollen und lieber weiter warten,
auf eine neue Version, ein Update.

Updates sind komplex. Denn gerade hat man sich an einen Ablauf gewöhnt, sinddie Shortcuts endlich in Fleisch und Blut
übergegangen, da ändert sich etwas. Oft nur ein wenig, aber grade so, dass es nicht mehrflutscht, nicht absehbar ist, wann man sich
ans Neue gewöhnt haben wird, oder ob man sich ans Neue, weil schlechter, gar nicht gewöhnenwill. Im schlimmsten Fall passt das
Update auch nicht mehr zur Hardware und man kann die Sache als Ganzes in den Wind schreiben. DerWind bringt Sand mit sich
und der kommt einem dann ins Flowgetriebe.

Und dann ist da noch das Problem mit den Superlativen, die da Hand inHand strahlend über die Blumenwiese des Überarbeiteten,
mit den neuen noch nie dagewesenen Funktionen daher gelaufen kommen. Siegrinsen einen an mit ihren weißgrellen Colgatezähnen.
Blenden, behaupten viel und halten wenig. Wie war das nochmal (bei Hader ) mit „da wor i nu nit“ und bohrt sich mit dem Finger so
tief in die Nase, dass der in der Hölle wieder rauskommt. Die Hölle des größterersterschnellsternochniedagewesenen und überhaupt
immer eh alles neu erfunden zu haben, zu wissen wie es läuft, ganz allein im Leben und mit eh allem anderen auch. Das ist besser für
dich. So geht das. Ach so.
Blenden dauert aber nicht für immer und die, die - während sie nicht klarsehen konnten - mal kurz stehen geblieben sind, baden DANACH
auch nicht im braunen Schlammloch, in das die anderen als aller erstesgesprungen sind. Und gut läuft es sich mit sauberen Schuhen.


Überhaupt hat man ein Problem mit Autorität, fällt es einem schon schwer,Rezepten zu folgen, so wie mir, dann steht man vor einigen
Entscheidungen und vielen Fragen nicht nur die Updates betreffend.

Wer bestimmt über meine Updates? Und um wen dreht sich denn nun dieWelt? - sind zwei davon. Auch Wendelin Pressl stellt sich
diese und setzt auch gleich eine Videoantwort als Satzzeichen dazu.

Sagt einer Wendelin Pressl kommt unweigerlich das Wortkonstrukt„Um-die-Ecke-denk-Fernrohr“ in mir auf. Ist er doch Meister des
Experiments, des Bastelns und eben auch des um die Ecke Denkens. Wie Macgyver stellt er aus einer Büroklammer undetwas Karton
Welterklärungsmaschinen her, einen Souvenierteller mit Elektromotor funktioniert er zur privaten Radar-Abtastanlage um.Gekonnt
lenkt er unsere Gedanken und Blicke über drei bis vier Spiegel wieder auf uns selbst zurück und der loop rollt mit denKugeln in unseren
Köpfen um die Wette. Einer sitzt im Karussell und schreit: „Mensch, die Welt dreht sich!“. Aucher macht Behauptungen, gibt Antworten
auf Fragen, die wir gar nicht gestellt haben. Doch charmanter und am Ende stellt er uns ganz klarwieder dort ab, wo wir angefangen
haben, bei uns selbst, unseren eigenen Hinterköpfen.

Die räumlichen und zeitlichen Erfahrungen der letzten Monate haben unsdoch recht klar gezeigt, worauf unsere Kugeln am Ende zurollen:
auf uns selbst und unser engstes Umfeld. Unsere isolierte Wahrnehmungunserer Isoliertheit. In den unterschiedlichsten Ausprägungen zeigte
sie sich - bei den einen - allein mit ihrem Buch - mal als Zeit, endlich das tun, woran im DAVOR nicht zu denken gewesen wäre.
Die anderen - von eben diesem Buch laut ausgelacht – wurde siewahrnehmbar, als sie allein mit Kind und Kegel schnell noch eine
Kernspaltung über der Küchenabwasch durchführten, bevor sie an den Matheaufgaben der Kinder verzweifelten. Manche konnten aufs
Land, dawo isoliert und allein normaler sind und auch leichter auszuhalten.

Die SixPetritschs waren am Land und ihre mitgebrachten Lockdowngedankenschaffen es ganz nebenbei, meinen Glauben an die Kunst zu
bestärken. Mit ihrer klugen, trockenen, sich selbst aber nicht zu ernstnehmenden Art verbiegen sie vor meinen Augen Raum und Zeit und
meine Gedanken noch dazu. Sie zeigen mir eine Mooreiche, die wie eineZeitkapsel als Vorher ins Jetzt ragt und in ihrer bisherigen
Beständigkeit dem DANACH wissend zuzwinkert. Nebenbei drehen sich drei Videos im Kreis die Momentaufnahmen in
Überwachungskameraästhetik abspielen. Kameras zwar von Menschen montiert und programmiert, doch werden diese ab dem Moment der
Montage unmittelbar obsolet. Entscheiden doch von diesem Zeitpunkt an die Kamera, was wert ist aufgezeichnet zu werden. Bewegungen,
Biber oder Lichtreflexe markieren von nun an sich selbst in einem Milieu,das es nicht kümmert, ob wir da sind oder nicht. Mehr als zufällig,
doch nicht viel mehr. Es ist eine Sammlung von Momenten und Geschehnissen, die man leicht übersieht oder kaum die Gelegenheithat, sie
überhaupt wahrzunehmen, würde sich da nicht gerade die unermessliche Zeitrechnung eines Lockdowns vor einem ausbreite. Anihr
gekuschelt eine neue Form der Aufmerksamkeit für Raum und Zeit. Welcher Lockdown ist das nun wieder und wie lang darf ich raus?
Überhaupt: ist Lockdown Raum oder Zeit?

Es war und ist unklar, wie lange wir in dieser neuen Zeitrechnung aufSicht fahren werden. Doch nehmen wir mal an, dieser Zustandsnebel
markiert etwas. Das Nebulöse markiert den Übergang. Im Falle des Projekts kommt er aus der Dose, auf Knopfdruck und im Durchgang.
Im Fall des Lebens kommt er von Corona.

Er markiert Ort, Zeit und Zustand.

Was, wenn es das Flüchtige ist, das anzeigt, wenn Eins ins Andereübergeht.

Man sagt über Kleinkinder, dass die Übergänge von einer Situation indie andere die größten Probleme mit sich bringen. Rituale,
Ankündigungen und Vorbereitung helfen ihnen, zwischen den emotionalen und situativen Aggregatzuständen zu wechseln. Aber
vielleicht trifft dieser Wunsch nach
Assistenzritualen ganz einfach auf uns alle zu.

Japanische Architektur ist wie ein Ritual an sich, sie zelebriert das, waszwischen den Dingen, Orten und Menschen liegt. Ebenso wichtig
wie das Drinnen ist die Verpackung, die Stufe, der Rand, die Schwelle, zwischen Räumen und wie es scheint, auch den Emotionen.
Das DAZWISCHEN gleichgesetzt mit dem DANACH. Und dann kann es sogar passieren, dass man es verwechselt - das Danach mit dem
Dazwischen - und bemerkt: gar nicht so schlecht hier im Durchgang.


Beruhigend und aufregend zugleich ist der Gedanke, Nebel auf Knopfdruck zuproduzieren, macht er doch ganz schön Dampf in den
Gassen und den Abläufen. Selbst den Moment des Übergangs zu bestimmen. Hängt man im Nebel doch nicht nur dieÜbersicht, sondern
vor allem auch seine Verfolger ab.

Sarah Decristoforo textet CENTRAL zu LATER um, macht Ort zu Zeit, ganz orts- und zeitbezogen für das Projekt, aber wohl auch ein wenig
für sich selbst. Sie macht nowhere zu now-here, verdreht Buchstaben und Sinn in einergekonnt beiläufigen Handbewegung und zeigt so die
Magie des Verborgenen. Sie verschiebt was auch immer erst einmal auf LATER. Sie scheint noch ein wenig in dem Dazwischen ausharren zu
wollen, um dort die Zukunft zu deuten. Sie nimmt die Sache auch gleich selbst in die Hand und funktioniert das Cafe in eine Orakelsprechstätte um.
Ungefragt bekommt man hier kryptisch und zufällig eine Deutung der Zukunft, nicht im Teesatz sondern in der Cappuccinotasse.

Wie an hartgewordenen Glückskeksen beißt man sich an den transzendentenNachrichten und Fragen die Zähne über die Zukunft aus.
Fraglich ist auch, ob die Fahne, die sie über unseren Köpfen hisst, eine ist, die Gutes verheißt, von neuen Tagen spricht oder vexierartig ins
Fegefeuer kippt. Sonnenaufgang in Schieflage.


Es bleibt also beim Flimmern, beim Nebulösen, doch tun sich darin plötzlichherrliche Zeiten und Blickachsen auf. Ich hoffe, das nächste Update
behauptet, Fahren auf Sicht is the way to go; ein mutiges aber vorsichtiges - im Sinne vonbehutsam - seine Umgebung und Bedürfnisse wahrnehmend.
Ich hoffe, es entlarvt den Blender und seine Superlative mit grellen Nebelgranaten.

Erich S. meinte doch im Semiotik Unterricht der 4. Klasse: „gibt man den Dingeneinen Namen tötet man sie.“ Besser ist, wenn sie flimmern.
Gerade flimmert es heftig und ich hoffe das nächste Update macht die Kantenetwas menschenfreundlicher, etwas weicher, auf solchen lehnt es
sich doch gleich viel besser.