Sinnesrausch, 2019

Kuratiert von Katharina Lackner und Genoveva Rückert.

commissioned by OÖ Kulturquartier, Linz

Künstler:innen:
Memo Akten, Marina Apollonio, Benjamin Bergmann, Dietmar Brehm, Osvaldo Cavandoli, Gianni Colombo, William Forsythe,
Archim Freyer, Aldo Giannotti, Helmuth Gsöllpointner, Heatherwick Studio, Leopold Kessler, Josef Linschinger, Constantin
Luser, Helena Martins-Costa, Claudia Märzendorfer, Manfred Mohr, Numen/For Use, Helga Philipp, Alexander Ponomarv, Ief
Spincemaille, Andreas Strauss, Jean Tinguely, Universal Everything, Urgent.Agency, Te-Yu Wang u.a.

Die vier Dimensionen Punkt, Linie, Raum und Zeit sind Grundelemente der Bildenden Kunst ‒
von ihnen geht alles aus und zu ihnen scheint alles wieder zurück zu kehren. Der Sinnesrausch 2019 greift diese Dynamik auf.

Elastisch, plastisch, fantastisch: Punkte, Linien und sphärische Blasen bewegen, spannen und stülpen sich über ganze Räume und
führen hinauf auf das Museums-Dach. Der Standpunkt der Besucher:innen gerät dabei im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn in
Bewegung. Große Installationen, die mit dem ganzen Körper wahrgenommen werden, wechseln sich mit fein gesponnenen Projekten
und performativen Elementen ab. Der Parcours, mit seinen Wegen, Brücken und Treppen, den verschiedenen Kunsträumen und dem
Blick über Linz, bildet für dieses außergewöhnliche Kunstprojekt mit 26 internationalen künstlerischen Positionen den
atmosphärischen Rahmen.

Die Linie als Leitfaden durch die Ausstellung

Eine Idee ist mit ein paar Linien in Form gebracht. Zeichnen – eine direkte Verbindung zwischen Kopf und Hand.

Die Zeichnungen von Aldo Giannotti kommentieren und leiten humorvoll durch die Ausstellung. Mit wenigen Strichen beschreibt
er etablierte Zu- und Umstände oder entwirft dafür neue Modelle und Utopien.


aldo giannotti

Aldo Giannotti, Spatial Dispositions/OK


Ein Punkt geht spazieren

Der Punkt öffnet sich zum Theater – mit dem Gesamtkünstler Achim Freyer – und zum Film – mit dem Experimentalfilmer
Dietmar Brehm. In Bewegung gebracht, formt er sich zur Linie und nimmt die Besucher:innen mit auf die Reise. Am Weg
nimmt die Linie Geschwindigkeit, und damit die Dimension der Zeit auf (bei Claudia Märzendorfer); sie wird bei Helena Martins
Costa zum Drahtseilakt, zu Musik und Klang bei Constantin Luser, und zu Tanz und Raum für Interaktion bei William Forsythe.

freyer

Achim Freyer, Verschüttungen – Die Dekade des Pythagoras, 2019


maerzendorfer

Claudia Märzendorfer, still of the night, 2019


forsythe

William Forsythe, City of Abstracts, 2000


Vom Punkt zum Pixel

Die Kunst der Bewegung ist immer auch eine Geschichte der Technologie. Der binäre Code und der Pixel sind Grundelemente
der heutigen Zeit, wie  auch bei der Simulation von Wellen in Memo Akten Arbeit, oder wie auch die Computeranimation von
Universal Everything eindrücklich zeigt.

akten

Memo Akten, Waves, 2015


Die jüngste Kunstgeschichte im Gepäck

Bewegung und ihre Darstellung sind von Anbeginn an ein zentrales Anliegen der Kunst, geändert haben sich nur die Mittel und
Techniken. Bewegte Objekte der „Kinetischen Kunst“ und die Sinne verwirrende Op Art aus den 1960er-Jahren waren Wegbereiter
für die Gegenwartskunst. Gemeinsam ist ihnen die Reflexion über Raum, Körper, Zeit, Bewegung und die Beteiligung der
Betrachter:innen. Den kunstgeschichtlichen Hintergrund bilden konstruktiv-konkrete Impulse der 1920er-Jahre in Westeuropa,
darunter das Bauhaus, aber auch die frühe Computerkunst.
In der Ausstellung finden wir lokale aber auch international anerkannte Vertreter:innen wie zum Beispiel einen der Wegbereiter für
neue interdisziplinäre Gestaltung Helmuth Gsöllpointner mit seinen „Teleskop-Plastiken“ und einen der bedeutendsten Vertreter der
Konkreten Kunst in Österreich, Josef Linschinger der sein vielschichtiges Werk, das Punkt, Linie, Fläche, Körper, Raum, Zeit, Farbe,
Schrift, Wort, Sprache und Code zu Themen seiner Kunst macht.

the rope

Ief Spincemaille, Rope, 2017/2019


Sphäre der Sinne

Die taiwanesische Künstlerin Wang Te-Yu transformiert und umschließt den OK Saal mit einer begehbaren, pneumatischen
Blase. Der Punkt bläst sich zur Blase auf und wird zur alles einnehmenden Sphäre. Wie schon in den 1960iger-Jahren bei
dem beweglichen Raum von Gianni Colombo ist die Kunst heute immersiv und nimmt den Raum und die BetrachterInnen
vollständig ein.

teyuwang

Te-Yu Wang, No. 99, 2019

Das Publikum als Akteur, die Künstler:innen als Spieler:innen und Stadtplaner:innen

Der Standpunkt der BesucherInnen gerät im wörtlichen, wie im übertragenen Sinn in Bewegung. Raumgreifende Installationen
und fein gesponnene Arbeiten laden sich mit Geschichten und performativen Elementen auf und fordern die geistige und körperliche
Aktivität der BesucherInnen. Es geht um die sinneserfassende ästhetische Erfahrung des Körpers im Raum.
Ganz in diesem Sinne lässt die italienische Künstlerin Marina Apollonio, die zu den PionierInnen der Op Art zählt, elementare
Formen wie, Kreise, Spiralen und Streifen zu überraschenden Bewegungs- und 3D-Effekten werden. Ein besonderes Highlight im
Rundgang ist die Arbeit der internationale Künstlergruppe Numen / For Use diese „spinnt“ ein betretbares, blaues Netz in den
sogenannten "open space" im Dachbereich der Ausstellung.
Die BesucherInnen bewegen sich durch einen luftigen Tunnel und erobern sich die fantastische Konstruktion kletternd! Eine eigens
für das Dach konzipierte Installation von Urgent.Agency schafft mit wehenden, sich optisch überlagernden Stoffbahnen eine
eindrückliche immersive Welt aus Farbe, Textur und Raum. Dazu gibt es auch eine Publikation der aus Architekten, Grafikern und
Philosophen, zusammengesetzten Designagentur aus Kopenhagen.


urgent agency

Urgent.Agency, Common Clearings, 2019


Der spielerische Aspekt ist zentral

Auf dem, an das Museum angrenzenden, Parkdeck hat Benjamin Bergmann sein lustvolles Wasserspiel neu strukturiert und
um ein zentrales „schwebendes Wasserbecken“ erweitert. Wie eine räumliche Zeichnung breitet sich ein Netzwerk aus Rohren,
Leitungen und Düsen auf dem Parkdeck aus. Inspiriert durch den Brunnen des Künstlers stehen Bauelemente aus Rohren
Trichtern und Eimern für das junge Publikum und das freie Spiel bereit.



Text: Katharina Lackner und Genoveva Rückert, 2019
Fotos: Otto Saxinger